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Seit fünf Jahre intensiviert Russland seine Bemühungen, das Völkerrecht
im Nahen Osten wiederherzustellen. Es stützte sich vor allem auf den
Iran und die Türkei, obwohl es deren Denkweise nicht teilt. Die ersten
Ergebnisse dieser geduldigen diplomatischen Übung lassen neue
Trennungslinien innerhalb mehrerer Konflikte Gestalt annehmen.
Neue Kräfteverhältnisse und ein neues Gleichgewicht
richten sich im Niltal, in der Levante und auf der arabischen Halbinsel
unauffällig ein. Die Situation im Persischen Golf hat sich stattdessen
festgefahren. Diese umfangreiche und koordinierte Änderung betrifft
verschiedene Konflikte, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.
Sie ist das Ergebnis der geduldigen und diskreten russischen
Diplomatie [
1] und, in manchen Fällen, des relativen guten Willens der USA.
Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten will Russland seine
Weltanschauung anderen nicht aufdrängen. Es geht stattdessen von der
Kultur seiner Gesprächspartner aus, die es dann im Kontakt durch kleine
Anstöße ändert.
Rückgang der kurdischen Dschihadisten und Söldner in Syrien
Alles hat am 3. Juli begonnen: einer der fünf Gründer der PKK, Cemil Bayik, schrieb einen Gastbeitrag in der
Washington Post,
indem er die Türkei auffordert, Verhandlungen zur Aufhebung der
Isolationshaft seines berühmtesten Gefangenen, Abdullah Öcalan [
2],
zu beginnen. Die Gefängnisbesuche des Führers der kurdischen
Separatisten der Türkei, die seit vier Jahren verboten waren, wurden
plötzlich wieder erlaubt. Diese Öffnung war ein offenes Geheimnis. Das
Gerücht war durch die republikanische Partei des Volkes verbreitet
worden, die sie als einen Verrat betrachtete. Bis zu einer Klärung
enthielten sich ihre Wähler bei der Kommunalwahl von Istanbul, am 23.
Juni, wodurch sie dem Kandidaten des Präsidenten Erdoğan eine schwere
Niederlage zufügten.
Zur gleichen Zeit wurden die Kämpfe in der durch Al-Qaida im Norden
von Syrien besetzten Zone, der Provinz Idlib, wieder aufgenommen. Dieses
islamische Emirat hat keine zentrale Regierung, sondern eine Vielzahl
von Distrikten, die verschiedenen kämpfenden Gruppen zugeteilt sind. Die
Bevölkerung wird von europäischen "NGOs" ernährt, die mit den
Geheimdiensten dieser Länder arbeiten und die Anwesenheit der türkischen
Armee hält die Dschihadisten davon ab, zu versuchen, den Rest Syriens
zu erobern. Da diese Situation nicht eingestanden werden kann, wird das
islamische Emirat Idlib von der NATO-hörigen Presse als ein friedlicher
Unterschlupf für die "moderaten Gegner der Assad-Diktatur" ausgegeben.
Plötzlich hat Damaskus, unterstützt durch die russische Luftwaffe,
begonnen, das Gebiet zurückzuerobern und die türkische Armee hat sich
still zurückgezogen. Die Kämpfe sind ausgesprochen mörderisch, vor allem
für die Republik. Aber nach mehreren Wochen ist der Fortschritt
bemerkenswert, so dass, wenn nichts dazwischen kommt, die Provinz im
Oktober befreit werden könnte.
Am 15. Juli, anlässlich des dritten Jahrestages des Mordversuches an
Präsident Erdoğan und des improvisierten Staatsstreiches, der darauf
folgte, kündigte Präsident Erdoğan die Neudefinition der türkischen
Identität an, und zwar nicht auf religiöser, sondern auf einer
nationalen Grundlage [
3].
Er kündigte auch an, dass seine Armee die PKK-Streitkräfte in Syrien
vertreiben und einen Teil der syrischen Flüchtlinge in ein 30 bis 40
Kilometer tiefes Grenzgebiet deportieren werde. Diese Zone entspricht
ungefähr jener, in der Präsident Hafez Al-Assad, 1999, den türkischen
Kräften erlaubt hatte, kurdisches Artilleriefeuer zu bekämpfen. Nach der
Ankündigung, dass das Pentagon seine kurdischen Verbündeten nicht im
Stich lassen könne, kamen US-amerikanische Abgesandte nach Ankara, um
das Gegenteil zu tun und den türkischen Plan zu genehmigen. Es stellt
sich dann heraus, wie wir es immer gesagt haben, dass fast alle Chefs
von "Rojava", dieses pseudo-kurdischen autonomen Staates auf syrischen
Gebiet, türkischer Nationalität sind. Sie besetzen daher dieses Gebiet,
das sie ethnisch gesäubert haben. Ihre Truppen, mit syrischer
Staatsangehörigkeit, sandten Boten nach Damaskus, um bei Präsident
Baschar Al-Assad um Schutz zu bitten. Wir erinnern daran, dass die
Kurden ein nomadisches Volk sind, das zu Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts sesshaft wurde. Laut der König-Crane-Kommission und der
internationalen Konferenz von Sèvres (1920) ist ein Kurdistan nur auf
dem aktuellen türkischen Territorium legitim [
4].
Es ist unwahrscheinlich, dass Frankreich und Deutschland Syrien
erlauben werden, das ganze islamische Emirat Idlib wieder zu erobern und
sie ihre Träume von einem Kurdistan aufgeben werden, wo auch immer (in
der Türkei, im Iran, im Irak oder in Syrien, aber nicht in Deutschland,
wo sie doch eine Million sind). Sie könnten dazu gezwungen sein.
Trotz der aktuellen Diskussion ist es ebenso unwahrscheinlich, dass,
wenn Syrien sich auch dezentralisiert, es der Region, die von den
türkischen Kurden besetzt wurde, die geringste Autonomie zugesteht.
Nach mehreren Jahren der Sperre, beruht die Befreiung des nördlichen
Teils von Syrien ausschließlich auf dem türkischen Paradigmenwechsel,
Ergebnis der US-amerikanischen Fehler und der russischen Intelligenz.
De-facto-Teilung des Jemen
Im Jemen unterstützen Saudi-Arabien und Israel Präsident Abdrabbo
Mansour Hadi, um die beiderseits der Grenze befindlichen Ölreserven
auszubeuten [
5].
Letzterer muss dem zaidistischen Aufstand, einem Zweig des Schiismus,
die Stirne bieten. Im Laufe der Zeit haben die Saudis Unterstützung von
den Emiratis erhalten und der zaidistische Widerstand, den vom Iran.
Dieser Krieg, angeheizt durch den Westen, verursacht die schlimmste
Hungersnot des 21. Jahrhunderts.
Im Gegensatz zur Organisation der beiden Lager haben die emiratischen
Küstenwachen am 1. August doch einen grenzüberschreitenden
Kooperationsvertrag mit der iranischen Grenzpolizei unterzeichnet [
6].
Am selben Tag ist der von den Emiraten finanzierte Leiter der
jemenitischen Miliz (der sogenannte "Übergangsrat des Südens" oder
"Sicherheitsgürtel" oder noch "Separatisten"), Abu Al-Yamana Al-Jafei,
von der Muslim-Bruderschaft der Islah-Partei, die von Saudi-Arabien
finanziert wird, ermordet worden [
7].
Offensichtlich ist das Bündnis zwischen zwei Erb-Prinzen von Arabien
und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Mohammed Ben Salman ("MBS") und
Mohammed Ben Zayed Al Nahyan ("MBZ") in schlechtem Zustand.
Am 11. August nahm die von den Emiraten unterstützte Miliz, trotz der
Saudi-Unterstützung von Präsident Hadi, den Präsidentenpalast und
verschiedene Ministerien in Aden im Sturm ein; der Präsident hatte schon
seit langem in Riad Zuflucht gefunden. Am nächsten Tag trafen sich
"MBS" und "MBZ" in Mekka in Anwesenheit von König Salman. Sie wiesen den
Putsch zurück und riefen ihre jeweiligen Truppen zur Ruhe. Am 17.
August evakuierten die Pro-Emirat-Truppen ordnungsgemäß den Sitz der
Regierung.
Während der Woche, in der die "Separatisten" Aden eingenommen hatten,
kontrollierten die Vereinigten Arabischen Emirate de facto die beiden
Ufer der strategischen Meerenge Bab El Mandeb, die das Rote Meer mit dem
Indischen Ozean verbindet. Da Riyad jetzt seine Ehre gerettet hat, wird
es nötig sein, Abu Dhabi eine Gegenleistung zu gewähren.
Auf diesem Schlachtfeld ist die Änderung nur den Emiraten
zuzuschreiben, die, nachdem sie einen hohen Preis bezahlt haben, aus
diesem aussichtslosen Krieg eine Lehre ziehen. Vorsichtig haben sie sich
zuerst den Iranern genähert, bevor sie diesen Warnschuss ihrem
mächtigen Verbündeten und Nachbarn Saudi-Arabien senden.
Sesseltanz im Sudan
Im Sudan kam, nachdem Präsident Omar al-Bashir (Dissident der
Muslimbruderschaft) durch Demonstrationen der Allianz für die Freiheit
und die Veränderung (ALC) gestürzt und die Brotpreiserhöhung
zurückgenommen wurde, ein militärischer Übergangsrat an die Macht. Diese
soziale Revolte und einige Milliarden Petro-Dollar erlaubten praktisch,
ohne Wissen der Demonstranten, die Vormundschaft des Landes von Katar
auf eine andere, saudische, zu übertragen [
8].
Am 3. Juni wurde eine neue Manifestation der ALC von dem
militärischen Übergangsrat im Blut erstickt, wobei 127 Menschen den Tod
fanden. Angesichts der internationalen Verurteilung nahm der Militärrat
Verhandlungen mit den Zivilisten auf und beschloss eine Vereinbarung am
4. August, die am 17. unterzeichnet wurde. Für einen Zeitraum von 39
Monaten wird das Land durch einen Obersten Rat von 6 Zivilisten und 5
Soldaten regiert werden, deren Identität durch die Vereinbarung nicht
geklärt ist. Sie werden durch einen Kongress von 300 ernannten und nicht
gewählten Mitgliedern kontrolliert werden, bestehend aus 67 %
Vertretern der ALC. Es gibt hier natürlich nichts Demokratisches und
keine der Parteien beschwert sich darüber.
Der Ökonom Abdallah Hamdok, ehemaliger Leiter der
Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika wird
Ministerpräsident werden. Er sollte die Aufhebung der Sanktionen
erreichen, die den Sudan treffen, und die Rückkehr des Landes in die
Afrikanische Union. Er wird den ehemaligen Präsident Omar al-Baschir im
Sudan vor ein Gericht stellen, um sicher zu gehen, dass er nicht an den
internationalen Strafgerichtshof von Den Haag ausgeliefert werden kann.
Die wirkliche Macht wird durch den "General" Mohammed Hamdan Daglo
(genannt "Hemetti") ausgeübt werden, der weder General noch Soldat ist,
sondern ein von "MBS" angestellter Milizenführer, um den jemenitischen
Widerstand niederzuschlagen. Während dieses Sesseltanzes hat die Türkei -
die eine Militärbasis auf der sudanesischen Insel Suakin besitzt, um
Saudi-Arabien einzukreisen – nichts gesagt.
In der Tat akzeptiert die Türkei, in Idlib und im Sudan zu verlieren,
um gegen die kurdischen pro-US-Söldner zu gewinnen. Allein dieses
letztere Ziel ist für sie von entscheidender Bedeutung. Es bedurfte
einer Menge Diskussionen, bis sie erkannte, dass sie nicht überall
zugleich gewinnen konnte und sie ihre Prioritäten ordnete.
Die Vereinigten Staaten gegen das iranische Erdöl
London und Washington setzen ihren Wettstreit, den sie vor siebzig
Jahren begannen, fort, um das iranische Öl zu kontrollieren. Wie zur
Zeit von Mohammad Mossadegh, will die britische Krone allein
entscheiden, was ihr im Iran gehört [
9].
Washington aber will nicht, dass seine Kriege gegen Afghanistan und den
Irak Teheran zu Gute kommen (Folge der Rumsfeld/Cebrowski Doktrin) und
will die globalen Energiepreise (Pompeo Doktrin) bestimmen [
10].
Diese beiden Strategien sind während der Beschlagnahme des iranischen
Tankers Grace 1 in den Gewässern der britischen Kolonie von Gibraltar
aufeinander geprallt. Der Iran hat seinerseits zwei britische Tanker in
der Straße von Hormus geentert, und behauptet – die höchste
Beleidigung -, dass einer der beiden "Schmuggel-Öl", also iranisches
subventioniertes Erdöl transportierte, das von London auf dem
Schwarzmarkt gekauft wurde [
11].
Als der neue Premierminister, Boris Johnson, begriff, dass sein Land zu
weit gegangen war, sah er zu seiner „Überraschung“, wie die
„unabhängige“ Justiz seiner Kolonie, die Grace 1 freistellte. Washington
stellte sofort einen erneuten Haftbefehl aus.
Seit dem Beginn dieses Falles zahlen die Europäer für die amerikanische Politik und protestieren ohne große Folgen [
12].
Nur die Russen verteidigen nicht ihren iranischen Verbündeten, sondern
das Völkerrecht, wie sie es in Bezug auf Syrien gemacht haben [
13] was ihnen ermöglicht, eine konsequente politische Linie zu haben.
In dieser Frage beweist der Iran seine sehr große Hartnäckigkeit.
Trotz der klerikalen Wende durch die Wahl von Scheich Hassan Rohani im
Jahr 2013, orientiert sich das Land wieder in Richtung der nationalen
Politik des säkularen Mahmud Ahmadinedschad. [
14].
Seine Instrumentalisierung der schiitischen Gemeinden in Saudi Arabien,
Bahrain, Irak, im Libanon, in Syrien, im Jemen, könnte sich in eine
einfache Unterstützung verwandeln. Auch hier sind es die langen
Diskussionen von Astana, die dazu geführt haben, dass das, was für die
Einen offensichtlich ist, es auch für die Anderen geworden ist.
Schlussfolgerung
Im Laufe der Zeit werden die Ziele jedes Protagonisten in eine Rangordnung gebracht und ihre Positionen deutlicher.
Im Einklang mit ihrer Tradition versucht die russische Diplomatie, im
Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, Grenzen und Bündnisse nicht neu
zu schaffen. Sie versucht, die widersprüchlichen Ziele ihrer Partner zu
lösen. So hat sie dem ehemaligen Osmanischen Reich und dem ehemaligen
Persischen Reich geholfen, sich von ihrer religiösen Definition (die
Muslimbruderschaft für den ersten, den Schiismus für den zweiten
Partner) zu lösen und zu einer postimperialen nationalen Definition
zurückzukehren. Diese Entwicklung ist in der Türkei sehr sichtbar,
erfordert aber einen Wechsel der Verantwortlichen im Iran, um sich
durchzusetzen. Moskau versucht nicht, "Regime zu ändern", sondern
bestimmte Aspekte der Mentalität.