Es sind für einen Blog-Artikel wahrscheinlich untypisch “viele
Buchstaben”. Der Übersetzer möchte die Lektüre aber jedem ans Herz
legen, der sich für “Weltpolitik” interessiert - man liest es dann fast
in einem Zug. Wer ungeduldig ist, kann sich einfach an den
Zwischenüberschriften und den Fragen entlanghangeln. Aber der Text ist
in seiner Gesamtheit wichtig genug, ihn in die “Grundsätze” dieses Blogs
aufzunehmen.
Letzte Vorbemerkung: der Begriff "Regime" ist im Russischen nicht zwangsläufig negativ konnotiert.
Quelle:
KP.ru, Autor: Jewgenij Tschernych
Warum hat es der Westen so eilig damit, die Nägel in den Sarg des Assad-Regimes zu schlagen?
Dieses nicht allzu große Land im Nahen Osten ist unerwartet zum
schlimmsten neuralgischen Punkt des Planeten geworden. Ständig tagt die
UNO dazu. Eine unnachgiebige Haltung nehmen dort Russland und China ein.
Eine Flotte russischer Kriegsschiffe mit Marineinfanteristen hat Kurs
aufs Mittelmeer gesetzt und läuft auch Syrien an. Die USA stellen den
“Rebellen” weiter 15 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Riecht es hier
etwa nach einem großen Krieg?
- Wodurch hat denn das kleine Syrien dem mächtigen Westen die Suppe versalzen?
Krieg ums Gas
- Einfach durch alles. Gehen wir der Reihe nach - vom Kleinen zum
Großen, vom Regionalen zum Globalen. Bei den Konstellationen im Nahen
Osten allgemein und im Kampf der Amerikaner und der sunnitischen
Monarchien (Saudi-Arabien und Katar) gegen den schiitischen Iran ist
dieses Land nicht einfach nur ein Verbündeter Teherans, sondern Glied
einer Kette, das dieses mit den schiitischen Gruppierungen in der
arabischen Welt verbindet. Ohne ein solches Verbindungsglied würde der
Einfluss des Iran in der arabischen Welt wesentlich geringer sein. Ich
will nicht einmal davon sprechen, dass eine Erdölpipeline aus dem Iran
durch Syrien verläuft. Ohne die Lösung der syrischen Frage können die
Angelsachsen, d.h. die Briten und die Amerikaner, sich nicht an den Iran
wagen.
Das syrische Regime ist faktisch das einzige starke, weltliche Regime in
der arabischen Welt. Dass es stark ist, stört die Atlantisten mit ihren
Plänen zum Umbau des Nahen Ostens und der gesamten Welt. Dass es ein
weltliches und dabei wirtschaftlich erfolgreich ist, stört die Führung
Saudi-Arabiens und Katars.
- Manche sagen, es sei der erste Krieg um Erdgas.
- Im südlichen Mittelmeerraum sind Erdgasvorkommen festgestellt worden -
sowohl auf Seegebiet, als auch an Land auf syrischem Territorium
(Kara). Wie groß diese Vorkommen sind, ist schwer zu sagen, aber es gibt
sie. Katar exportiert verflüssigtes Erdgas mithilfe einer Tankerflotte.
Bricht das Assad-Regime zusammen, so bekommt der Katar die Möglichkeit,
den “blauen Brennstoff” direkt über das syrische Territorium an die
Küste des Mittelmeers zu transportieren. Das würde sein Exportvolumen
mindestens verdoppeln und gleichzeitig den Export aus dem Iran
behindern. Das Erstarken Katars auf dem Markt für Erdgas schwächt die
Position Russlands. Wenn es den Amerikanern gleichzeitig gelingt,
Kontrolle über das algerische Erdgas zu gewinnen, so sieht das schon
nach einer Blockade des Erdgasexports für Russland aus. Das heißt, die
wirtschaftlichen Interessen Katars fallen mit den geopolitischen
Interessen der USA zusammen und mit ihrem Bemühen, Russland maximal zu
schwächen, denn Russland soll nicht wieder erstarken.
- Das bedeutet, dass die Yankees in Syrien eigentlich indirekt Russlands geliebtes Gazprom angreifen?
- Die Angelsachsen sind globale Billardspieler, sie arbeiten nach dem
Prinzip, mit einem Mal gleich mehrere Kugeln zu versenken (was man von
ihnen lernen sollte). Der Große Nahe Osten mit dem darin ablaufenden
gesteuerten Chaos trennt China von den benötigten Quellen für Erdöl und
Erdgas ab, gleichzeitig wird ein Bruch zwischen dem chinesischen und dem
westeuropäischen Teil Eurasiens gelegt. Die Kontrolle über das Öl und
Gas aus dem Nahen Osten bedeutet in erster Linie die Kontrolle der USA
über Europa, speziell Westeuropa, was der Schwächung Russlands und
seiner Positionen durchaus zuträglich wäre. Und wenn Europa das eines
Tages missfallen sollte, so kann man inzwischen auch dort ein paar
arabisch-afrikanische Unruhen vom Zaun brechen - so, dass die satten
Bürger wünschten, es wäre wieder vorbei.
Diese Logik (obwohl nicht nur diese allein) bestimmt den Drang der
nordatlantischen Elite durch die arabische Welt nach Osten: Tunesien,
Ägypten, Libyen. Nun sind sie bei Syrien angekommen. Allerdings sind die
Atlantisten auf diesem syrischen Flecken Erde mit einer anderen
globalen Macht aneinander geraten, die sich mit ihnen in
wirtschaftlicher und sogar militärischer Hinsicht messen kann, aber eine
vollkommen andere Zivilisation darstellt. Das ist China mit seinem
Drang nach Westen. Chinas Drang ist eine Art Kreuzzug um Ressourcen.
Pakistan befindet sich schon unter Chinas Einfluss. Mit den Taliban
Afghanistans haben die Chinesen schon lange Beziehungen. Der Iran ist
auch Verbündeter, wenn auch ein sehr spezieller. Der Süden des Irak wird
de facto bereits von den schiitischen Verbündeten des Iran
kontrolliert. Geostrategisch und auch geoökonomisch gesehen dringt China
hier nicht nur bis an die Küste des Indischen Ozeans, sondern, so
gesehen, auch bis zum Atlantik vor (nämlich an die syrische
Mittelmeerküste). Objektiv gesprochen sind die westlichen Kreuzritter in
Syrien an die Chinesische Mauer gestoßen.
Erstmals ist die englisch-amerikanisch-jüdische Elite, die sich
innerhalb der letzten Jahrhunderte herangebildet hat und zu einer
organisationellen historischen Errungenschaft des Westens geworden ist,
hier auf einen globalen Gegner eines nicht-westlichen Typs gestoßen
(denn auch die Führungsspitze der UdSSR war die Umsetzung eines linken
Projekts des Westens, einer jakobinischen Moderne). Außerdem steht dem
europäischen Segment der westlichen Elite, woher diese ja auch die
historische Erfahrung bezieht, das nicht minder alte, vielleicht sogar
noch ältere chinesische Segment gegenüber. Ebenso sehr auf das
Materielle, den Handel und Geld orientiert. Dabei aber auch noch sehr
abenteuerlustig, denn die Chinesen haben ja auch ihre eigenes, globales
kriminelles System.
- Die chinesische Mafia ist wahrscheinlich noch etwas heftiger als die italienische...
- Ja, und die chinesischen Goldreserven als bedrohliche Finanzwaffe wollen wir gar nicht erst erwähnen.
Peking versteht sehr wohl, dass Syrien lediglich ein Wegpunkt in der
Hauptstoßrichtung der Nordatlantiker ist - und Ziel ist es, China fallen
zu sehen, es in die Schranken seiner eigenen Landesgrenzen zu
verweisen, es von den Rohstoffquellen zu trennen und technologisch zu
ersticken. Deswegen haben wir es mit einer solch harten Position Chinas
zu Syrien in der UNO zu tun.
- Was ist mit der Position Moskaus? Warum ist diese jetzt so anders als im Falle von Libyen?
- Erstens haben wir heute einen anderen Präsidenten. Zweitens hat die
Geschichte mit Gaddafi, wie ich meine, die russische Führung einiges
gelehrt. Drittens unterhält Russland in Syrien einen Marinestützpunkt.
Viertens hat die russische Rüstungsindustrie starkes Interesse an
Syrien, und wirtschaftliche Interessen sind für die russische Führung
eine heilige Sache. Fünftens ist Syrien Russlands Grenzen und dem
postsowjetischen Raum viel näher als Libyen. Alles das bestimmt Moskaus
Position, welche durch ihr atomares und diplomatisches Potential die
chinesische Position stützt. Allein würden weder Russland, noch China
bestehen können.
Sicherlich können die Angelsachsen auf Russlands und Chinas Vetos in der
UN pfeifen, auf die UNO und das internationale Recht insgesamt, welche
sie ohnehin aufzuheben gedenken. Aber das sind bisher nur Absichten.
Denn wie Stalin einmal sagte, die Logik der Umstände ist immer stärker,
als die Logik der Absichten. Diese Umstände sind Russland und China,
welche einen rasenden Zorn der Nordatlantiker bewirken - es genügt, sich
ein paar Mal Frau Clinton anzuhören und sich ihre Mimik zu betrachten.
- Ungeachtet der unnachgiebigen Position Moskaus und Pekings zieht sich der Westen nicht zurück. Wieso nicht?
- Erstens liegt es nicht in der historischen Tradition der Angelsachsen,
ihre Beute fahren zu lassen, in die sie sich einmal wie ein Pitbull
verbissen haben. Sie werden bis zum Anschlag Druck ausüben, bis sie ihr
Vorhaben durchgesetzt haben oder bis der Gegner ihnen das Gebiss bricht.
Zweitens sind die Angelsachsen im Verlauf der letzten 25-30 Jahre,
nachdem sie die sowjetische Elite besiegt hatten (es geht genau um die
sowjetische Elite - sie hat kapituliert), einfach überheblich geworden.
Sie haben sich daran gewöhnt, dass Russland alles aufgibt und bauen
darauf, auf die russische Elite Druck ausüben zu können, schon, weil
diese ihr Geld in westlichen Banken deponiert hat. Drittens, und das ist
der Hauptgrund, welcher alle anderen überwiegt: die Einsätze sind viel
zu hoch, auf dem Spiel steht das Schicksal der nordatlantischen Eliten
selbst, es geht durchaus nicht nur um die Kohlenwasserstoffvorräte oder
den Nahen Osten. Der Westen hat keine andere Möglichkeit, als weiter
vorwärts zu pressen. Die Sache ist folgende. Ungeachtet des enormen
materiellen und Informationspotentials dieser gigantischen Maschinerie,
welche von höchst erfahrenen übernationalen Geokonstrukteuren und
Geoingenieuren gesteuert wird, erleben die USA heute eine Überspannung
der Kräfte. “Nihil dat fortuna mancipio” - das Schicksal gewährt nichts
für ewig! Amerikas Zeit geht vorüber. Um den endgültigen Fall
aufzuschieben oder gar zu vermeiden, braucht Amerika eine
Verschnaufpause. Nicht von ungefähr geht es in der neuen Militärdoktrin,
die Obama am 5. Januar 2012 verkündet hat, jetzt darum, dass die USA
nicht mehr - wie bis dato - zu zwei parallelen laufenden Kriegen
gerüstet sein muss, sondern nur noch zu einem plus zu indirekten
Aktivitäten in mehreren Regionen. Zu berücksichtigen gilt es ferner,
dass die Amerikaner bis zu 60% ihrer Militärmacht in den Stillen Ozean,
den ostpazifischen Raum umgruppieren und sich so auf
Auseinandersetzungen mit China vorbereiten. Nicht von ungefähr bringt
das Journal “Foreign Affairs”, eine Publikation des Council on Foreign
Relations (CFO) - eine der einflussreichsten amerikanischen Strukturen
in Fragen internationaler Beziehungen - neuerdings immer wieder Artikel,
die direkt aussagen: die USA brauchen eine Verschnaufpause, “um sich
auf der Wiedererrichtung des Fundaments nationaler Blüte zu
konzentrieren”. Amerika erinnert heute an das Römische Reich zu Zeiten
Kaiser Trajans (Anfang des 2. Jh. n. Chr.). Damals ist Rom von
strategischen Angriffen zur strategischen Defensive übergegangen, Rom
begann damit, die Limes zu bauen und einige eroberte Gebiete aufzugeben,
in erster Linie im Nahen Osten.
- Das ist eine direkte Analogie. Die USA haben vor, Afghanistan zu verlassen, aus dem Irak sind sie abgezogen...
- Die Ergebnisse des NATO-Gipfels in Chicago am 20. und 21. Mai 2012
haben gezeigt: im direkten Sinne werden weder die USA, noch wird die
NATO den Nahen Osten oder Afghanistan wirklich verlassen. Nicht deshalb
sind sie ja schließlich dahin gegangen. Allerdings müssen sie dort im
bisherigen Sinne “heraus”, das Führungsmodell dort wird ein anderes. Und
das ganz einfach, damit der Platz nicht von den Konkurrenten besetzt
wird, nämlich von der EU und vor allen Dingen von China. Das ist der
Sinn hinter diesem neuen Modell der Steuerung der Region: gesteuertes
Chaos. Einen besseren Kandidaten dafür, dieses Modell zu implementieren
und aufrecht zu erhalten, als die Islamisten, die “Kettenhunde der
Globalisierung auf amerikanisch”, kann man sich gar nicht vorstellen.
Und nun sehen wir, wie im Nahen Osten - speziell im Schlüsselland
Ägypten - als Ergebnis des so genannten “Arabischen Frühlings” gerade
die Islamisten an die Macht kommen. Besser gesagt sind sie es, denen man
den Weg frei macht. Allerdings haben die Angelsachsen auf diesem Weg
zwei Länder als Stolpersteine angetroffen, zwei Länder, in denen die
Islamisten entweder nicht stark oder nicht aktiv waren. Das sind Libyen
und Syrien. Libyen ist bereits durch die barbarische NATO-Aggression
vernichtet worden, Syrien wird heute belagert. Syriens Armee kämpft
gegen den internationalen Terrorismus, der, wie es sich für ihn auch
geziemt, von den Strippenziehern der englisch-amerikanischen Spitze
gesteuert wird.
Das wahre Gesicht der “Freunde Syriens”
- Mit Verlaub, Andrej Iljitsch! Die westlichen Medien berichten, dass
das Volk gegen das Assad-Regime aufbegehrt hat. Die Aufständischen sind
Syrer, welche aus der Armee desertiert sind.
- Dazu sind es ja die westlichen Medien, oder besser: Mittel für
Massenpropaganda, Agitation und Desinformation. Sie erfüllen die rein
militärische Aufgabe eines Informations- und psychohistorischen Kriegs.
Die “syrischen Rebellen” haben moderne Präzisionswaffen,
Panzerabwehrwaffen, Wärmesichtgeräte, beste Scharfschützengewehre und
vieles andere, vor allen Dingen aus türkischer Produktion. Ist das nicht
ein wenig fett für Deserteure und Flüchtlinge? Doch das wichtigste ist
die Organisation der bewaffneten Auseinandersetzungen. Seit Ende Juni
hat sich die Situation in Syrien grundlegend gewandelt. Assad hat es nun
mit einer hochqualifizierten Stabskultur der Planer hinter den
militärischen Diversionen zu tun, zu der Deserteure vom Rang Hauptmann
bis Major gar nicht in der Lage sind. Von der Zermürbung und Ermattung
der syrischen Armee sind die “Aufständischen” zur Taktik massiver
Angriffe übergegangen, hinter denen offenbar ein Kontingent von 25 - 30
Tausend Mann steht. Die bewaffneten Kämpfer sind Abkömmlinge aus Libyen,
Tunesien, Afghanistan und anderen islamischen Ländern. Sie nach Syrien
zu werfen löst übrigens für den Westen und die sunnitischen Monarchien
ein wichtiges Problem. Denn dieser Brennstoff muss ja irgendwo und
irgendwie beschäftigt werden. Arbeiten werden diese Jungs nicht, und ein
verrückt gewordener Hund könnte auch seinen Herrn beißen.
Zusammen mit den professionellen Söldnern und den internationalen
Terroristen kämpfen auch weiterhin Teile von syrischen kriminellen Clans
gegen die Regierungstruppen; sie morden ihre eigenen Nachbarn und
lasten die Verbrechen dann dem Assad-Regime an. Die Situation in Syrien
hat eine Tatsache glasklar herausgestellt: der internationale
Terrorismus, gegen den die USA angeblich kämpfen, ist in Wahrheit ihre
Waffe, von ihnen selbst geschaffen. In Libyen hat Al-Kaida die von den
Atlantisten gestellten Aufgaben erledigt. Nach Syrien werden die
bewaffneten Kämpfer vom Islamisten Abd al-Hakim Balhadsch eingeschleust,
der seinerzeit das Kommando über die libyschen “Aufständischen” hatte.
Er ist der einflussreichste Militär in Tripoli, ist bereits lange Zeit
mit Al-Kaida verbandelt. Al-Kaida ist ein sehr bequemes Instrument für
die amerikanischen und britischen Geheimdienste. Wenn es sein muss, kann
man sie die eigenen Twin-Towers sprengen lassen, die Schuld der
Organisation Bin Ladens zuschieben. Und wenn es sein muss, kann man sich
mit dieser Organisation in Ekstase vereinen und gegen Gaddafi oder
Assad vorgehen. Jetzt ist die Al-Kaida wieder gut; wie unser Protopope
Awwakum einst sagte, “gestern noch ein Hurensohn, und heute schon ein
Priester”.
Sie sollen aufhören, uns Unsinn zu erzählen: die Syrer kämpfen nicht
gegen die Syrer, sondern gegen die angelsächsische Elite, welche mit den
Händen internationaler Terroristen Krieg führt. Deren Vorgehen in
Syrien gleicht zum Beispiel den Todesschwadronen des John Negroponte in
Guatemala. Die “Freunde Syriens” (die früheren “Freunde Jugoslawiens,
des Irak, Libyens”) sind in ihrer Perspektive auch die “Freunde
Russlands” sind selbst die hauptsächliche internationale Terrormacht.
Ich hoffe sehr, dass sie und ihre Handlanger (auch die aus Den Haag)
letztendlich ihr Nürnberg erwartet. Viele auch im Westen beschreiben die
Ähnlichkeit zwischen dem Überfall auf den Irak durch Bush jr. mit
Hitlers Überfall auf Polen, die Niederlande und Frankreich. Die Frage
ist nur, wird Syrien die letzte Linie vor einem neuen, nun schon nicht
mehr einem Welt-, sondern einem globalen Krieg werden. Früher oder
später wird die Kriminalisierung der Politik der westlichen Führung
nämlich genau dazu führen.
- Die USA haben die jüngsten Terroranschläge in Damaskus, die den Tod
einiger syrischer Regierungsmitglieder nach sich zogen, de facto
gerechtfertigt.
- Ja, unter den Ermordeten sind der Verteidigungsminister Daud Radschha,
der Chef des militärischen Nachrichtendienstes Assef Schawkat und der
Leiter des Antikrisenkomitees Hassan Turkmani - Assad sehr nahe stehende
Leute, seine Stütze. Eine solche Aktion stand zu erwarten; ich glaube
nicht, dass sie ohne Mitarbeiter westlicher Geheimdienste möglich
gewesen ist. Baschar al-Assad hält stand, man hat ihn in 15 Monaten
nicht brechen können, deshalb steht der Kurs jetzt auf physische
Vernichtung des syrischen Präsidenten und der ihm nahestehenden
Personen. Die Rechnung lautet, dass nach dem Weggang Assads sein Regime
zusammenbricht. Ob diese Rechnung so aufgeht, ist eine andere Frage.
Hier ist etwas anderes wichtig: die westliche Elite hat nach dem Mord an
Gaddafi offen und unverhohlen den Weg der physischen Vernichtung
solcher Führer eingeschlagen, die ihren Plänen entgegenstehen, das
heißt: den Weg des Terrors. Und während man gegen Miloschewitsch und
Saddam Hussein noch farce-artige Gerichtsprozesse veranstaltet hat, so
wurde Gaddafi auf völlig banditische, “konkrete” Weise einfach nur
umgebracht, und dabei blieb das “Wow!” nicht einmal mehr im Halse
stecken. Was war allein die Szene im vorigen Mai im Weißen Haus wert,
als die Führung der USA sich offen vor den Fernsehschirmen sammelte, um
der Tötung von “Bin Laden” zuzusehen. Wie vertiert und moralisch
degeneriert muss man sein, um sich wie der mittelalterliche Pöbel Morde
zu Gemüte zu führen und dazu mit der Zunge zu schnalzen! Die westliche
Führung legt das Verhalten einer globalen Verbrecherorganisation an den
Tag und verheimlicht dies nicht einmal. Das Prinzip ist: “Du bist schon
allein deswegen schuld, weil ich Hunger habe.” So hat der vorige
proamerikanische Präsident Frankreichs, Sarkozy, den syrischen Christen
(etwa 10% der Bevölkerung Syriens) ja auch direkt gedroht, dass -
sollten sie weiterhin Assad unterstützen - sie Opfer von Anschlägen
würden. Und das passiert ja auch bereits. Man mordet dabei aber nicht
nur Christen, sondern auch Drusen, Alawiten, Mitglieder der seit 1963
regierenden Baath-Partei. Doch das große Morden wird erst noch beginnen,
wenn es dem Westen gelingt, das Assad-Regime zu stürzen. Was erst im
Falle einer ausländischen Militärintervention möglich wird.
- Denken Sie, dass der Westen so weit gehen wird?
- Diese Frage stellt man besser der globalen Verbrecherorganisation, die
ihre “Aktien” in Washington, New York, London und Brüssel hat. Wir
können nur mögliche Varianten abwägen. Die einzige militärische Macht,
auf die die NATO bisher zählt, ist die Türkei, welche davon träumt, dass
Syrien in 4-6 Teile zerlegt wird, über die Hälfte derer sie die
Kontrolle erhält und damit dem zu ähneln anfängt, was wir als das
Osmanische Reich kennen. Allerdings ist ein solcher Krieg für die Türkei
unter Berücksichtigung der Positionen Russlands, Chinas, des Iran plus
der Kurdenfrage eine recht unsichere Sache, selbst bei
militärtechnischer Unterstützung durch die NATO. Und Syrien selbst ist
auch kein Schwächling. Man kann deswegen eher davon ausgehen, dass der
derzeitige Krieg so weitergeht, bei dem der Westen sich darum bemühen
wird, Syrien durch die Hände der Söldner zu zerdrücken, indem die
Taktiken der Zerrüttung und massiver Angriffe kombiniert und gezielt die
physische Vernichtung Assads versucht wird. Die USA und Großbritannien
haben viel zu viel in die Vernichtung des syrischen Regimes investiert
und können nur in einem Fall zurück, wenn der Preis für einen Sieg zu
hoch wird.
- Haben sie denn tatsächlich so viel investiert?
- Ja. Sowohl im finanziellen, als auch im organisatorischen Sinn. Noch
2006 startete das Programm “Demokratie in Syrien”, das Geldmittel für
Projekte in der Gesamtsumme von 5 Millionen US-Dollar beinhaltete. 2009
bekam der “Rat für Demokratie”, der diese Geldmittel unter den
“Demokratisatoren” in den Ländern verteilte, welche von den USA
geschwächt werden sollten, vom State Department 6,3 Millionen US-Dollar
für das mit Syrien zusammenhängende Programm “Initiative zur Festigung
der Zivilgesellschaft” (offenbar meinen die Angelsachsen, dass eine
Zivilgesellschaft aufgebaut wird, wenn durch die Hände von Söldnern
syrische Kinder und Frauen ermordet werden). Das “Syrian Business Forum”
verwaltet zum Beispiel ein Budget von mindestens 300 Millionen Dollar.
Die Hälfte dieser Mittel gilt der Finanzierung der so genannten “Freien
Syrischen Armee”. Eine aktive Rolle bei der Finanzierung der
Anti-Assad-Kräfte spielen Saudi-Arabien und Katar, welche diesbezüglich
ein Geheimabkommen unterzeichnet haben. Die Positionen der Saudis und
des Premierministers von Katar, Scheich Hamad ben Dschassem Al Thani,
sind deutliche Zeugnisse für die Allianz zwischen dem Westen und den
Salafiten. Es war in Katar, wo gestellte Szenen von angeblichen Kämpfen
in Tripoli und Damaskus gedreht wurden, als es diese Kämpfe noch gar
nicht gab. Der Emir bezahlte den Sturm von Tripoli und entsandte eine
arabische Mischpoke von 6.000 Mann dazu, welche Militäruniformen des
Katar trugen. Übrigens war es auch Ben Dschassem, der die
Handgreiflichkeiten gegen den russischen Botschafter Titorenko im Katar
angeordnet hat.
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Söldner gegen Syrien. Foto: AP |
Kampf um Eurasien
- Manche westlichen Politiker bieten der russischen Führung an, Assad
und seine Familie in Russland aufzunehmen. Nach dem Motto, das syrische
Volk wird es Russland danken. Was droht Russland durch den Sturz des
Assad-Regimes?
- Syrien ist unser einziger Alliierter in der arabischen Welt. Mit
dessen Fall verlieren wir endgültig alle unsere Positionen in der
Region. Aber es geht nicht nur um die arabische Welt. Russland kann sehr
leicht komplett in der historischen Versenkung verschwinden. Nach
Syrien und Iran (denn dass die Atlantisten nach Syrien den Iran
überfallen, ist sehr wahrscheinlich - die Analytiker bringen sogar
bereits den Namen der Militäroperation, welche durch einen
amerikanisch-israelischen Schlag gegen die Hisbollah beginnen soll: “Das
Große Gewitter”) kommen wahrscheinlich auch wir an die Reihe. Man kann
also sagen: man schlägt Syrien (und den Iran), gezielt wird aber
letztlich auf Russland. Die Vorbereitungen laufen bereits in allen
Richtungen: die Lage im Nahen Osten, der “Raketenschild”, die
NATO-Osterweiterung und so weiter.
- Die Sache mit dem Raketenschild und der NATO-Osterweiterung ist
klar. Aber wie hängen Syrien und der Iran konkret mit unserer Sicherheit
zusammen?
- Sie sind unseren Grenzen und unserem Einflussgebiet - Transkaukasien
und Zentralasien - sehr nahe. Wenn die derzeitigen Regimes in Damaskus
und Teheran fallen, so wird sich die ganze Zone des von den Atlantisten
“gesteuerten Chaos” von Mauretanien und dem Maghreb bis nach Kirgisien
und dem Kaschmir erstrecken. Der Bogen der Instabilität wird sich wie
ein Keil gegen das zentrale Eurasien vorschieben, von wo aus die
Atlantisten Russland und China schon direkt bedrohen. Vor allem aber
Russland.
- Warum Russland vor allen anderen Dingen?
- Die zu erwartende Weltsystemkrise hebt die Bedeutung der Kontrolle
über die Ressourcen ins Unermessliche. Die Bedeutung wird unter
Bedingungen der prognostizierten geoklimatischen und geophysischen
Katastrophe noch potenziert. Ich rede jetzt nicht von der mythologischen
“globalen Erwärmung”. Sondern vom durchaus prosaischen Abklingen des
Golfstroms, der Umstellung der Nahrungsketten in den Weltozeanen (das
passiert einmal in 11,5 - 12,5 Jahrtausenden), das sind Umbrüche eines
planetaren Ausmaßes, die ungefähr zum Beginn des 20. Jahrhunderts
einsetzten und etwa im ersten Drittel des 22. Jahrhunderts abgeschlossen
sein werden. Unter solchen Krisenbedingungen und in der Welt nach einer
solchen Krise ist die einzige stabile und Ressourcen aufweisende Region
das nördliche Eurasien, also hauptsächlich das geographische Gebiet
Russlands. Das macht unser Territorium zur wichtigsten geohistorischen
Beute des 21. Jahrhunderts und der darauf folgenden Jahrhunderte. Die
bekannten Russophoben Brzezinski, Albright und andere im Westen haben
mehrfach ausgesagt: es sei ungerecht, dass Russland über ein solches
Territorium und solche Ressourcen verfügt. Das solle der
Weltgemeinschaft gehören - das heißt, den atlantischen Eliten, die in
Logen, Clubs, Kommissionen, Orden und außerordentlichen Strukturen
organisiert sind.
Allerdings braucht es dazu, die Kontrolle über das nördliche Eurasien zu
gewinnen, ein Aufmarschgebiet - Zentralasien. Die Amerikaner sind auch
bereits vor Ort, doch vom durch sie kontrollierten Nahen Osten sind sie
eben noch durch Syrien und den Iran von Zentralasien getrennt. Hier
reißt die Zündschnur, die man in Nordafrika angesteckt ab, bisher noch
ab und erlischt. Ohne die Vernichtung dieser beiden Länder können die
Atlantisten den Kampf ums nördliche Eurasien nicht angehen. Sie
betrachten Russland als Rohstoffquelle, China als Quelle für
Arbeitskraft, das heißt, als etwas eigentlich Sekundäres. Und wenn sich
dieses Sekundäre ihren Plänen entgegenstellt, macht sie das so ziemlich
verrückt. Die Lösung der russischen und chinesischen Frage wird vom
Westen gerade eben mithilfe des Islam, der Araber angegangen. Egal, ob
das nun in Form des gesteuerten Chaos einer neuen arabischen Eroberung
oder eines Kriegs zwischen Kalifat und Ungläubigen passiert. Dabei
werden die Angelsachsen, getreu ihrer Tradition, größere Staaten und
Völker gegeneinander aufzuhetzen, diese zu schwächen oder gar zu
vernichten (zwei Mal im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden Russland und
Deutschland gegeneinander gehetzt), sich allerdings auch bemühen, den
Islam auszuschalten. Das passiert durch dessen maximale Radikalisierung
mit dem Wahhabismus, den Entzug seiner inneren wirtschaftlichen und
demographischen Kraft im Verlauf der eurasischen Kriege, wonach die
islamische Welt später in eine Art neo-traditionelles Ghetto verwandelt
werden wird, das keine eigenen Ressourcen und Technologien besitzt. Die,
welche in ihrer Kindheit “Dungeons & Dragons” gespielt haben,
erinnern sich wahrscheinlich an die Variante einer “Welt der schwarzen
Sonne”. Die Globalisten werden versuchen, die islamische Welt in eine
Menge kleiner Einheiten zu zerschlagen, mit denen private Militärfirmen
oder Konzernsöldner leicht zurande kommen, die Reste von Ressourcen aus
ihnen herauspressen und sie anschließend auf der Müllhalde der
Geschichte entsorgen. Der Westen wird nur über Punkte mit
Ressourcenkonzentration Kontrolle ausüben (zum Beispiel, heute schon
Realität, über die fast 1.800 Kilometer lange Mittelmeerküste Libyens);
das andere gibt man den Stämmen, Clans und kriminellen Syndikaten zur
freien Verfügung, von denen jeder sein Stück und Stückchen kontrollieren
wird. Zu solchen “Stückchen” können auch Teile von Saudi-Arabien,
Pakistan (Abtrennung von Belutschistan), der Iran werden - ein
islamisches Mosaik. Gleichzeitig braucht der Westen Aufseher in der
Region, und diese Rolle kann durchaus zu Groß-Kurdistan passen. Ein
einziger Staat, dem es gestattet sein wird, groß zu sein.
- Weshalb?
- Auf dem Gebiet Groß-Kurdistans, sollte dieses einmal geschaffen
werden, werden sich die Quellen aller größeren Flüsse der Region
befinden. Das bedeutet, dass in der kommenden, an Wasser armen Epoche
und folglich einer Epoche von Kriegen um das Wasser als Ressource, die
wichtigsten Hebel des Einflusses auf die Region - wie zu Zeiten des
Assyrischen Reichens - in den Händen des uralten Volks der Kurden sein
werden. Kurdistan könnte zum wichtigsten Wachhund der Region werden und
in dieser Rolle Israel ablösen.
- Über Israel bitte etwas genauer!
- Israels Perspektiven sind im sich wandelnden Nahen Osten ziemlich
nebulös. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Westen Israel
demontieren, weil Israel einfach nicht mehr notwendig sein wird, so, wie
es Arnold J. Toynbee noch 1957 vorausgesagt hat. Sicherlich erst nach
der Evakuierung des “oberen Drittels” der Bevölkerung. Die Variante der
Schaffung eines Groß-Kurdistans und der Demontage Israels ist nicht zu
hundert Prozent, aber doch sehr wahrscheinlich. Freilich ist das keine
Sache der kommenden paar Jahre.
- Was sollte Russland denn in der dramatischen Situation, die sich um Syrien aufbaut, unternehmen?
- Das, was Russland bereits tut - nämlich Syrien bis Anschlag
unterstützen, es nicht zulassen, dass man es zerdrückt. Wir haben
bereits Einheiten der Kriegsmarine entsandt, kein großes Kontingent,
aber besser, als gar nichts. Und wenn man schon Krieg führt, tut man das
besser nicht durch Quantität, sondern durch Können. Weiter. Am 7. Juni
gab es Raketentests zweier ballistischer Interkontinentalraketen: eines
“Topol” (das haben wir bestätigt) und einer “Bulawa” (das haben wir
nicht bestätigt, aber die Amerikaner bestehen zumindest darauf, dass es
einen solchen Start gegeben hat). Das ist ein gewisses Zeichen. Denn
Russland ist trotz aller Militärreformen immer noch eine Nuklearmacht,
und wir sind es, nicht so sehr die Chinesen, die von den Amerikanern
immer schon als Hauptfeind gesehen wurden, das tun sie immer noch und
werden es auch weiter tun. Unsere Diplomaten tun ihre Arbeit. Es hat mir
gefallen, wie Witali Tschurkin mit dem Botschafter des Katar gesprochen
hat, ich stelle mit einiger Genugtuung die Ohnmacht in der Bosheit der
Madame Clinton und einiger niederer Offizieller des State Department
fest, die sie gegen unsere Führung demonstrieren. Es ist zu begrüßen,
dass die syrische Luftabwehr bereits 18 Einheiten unserer
“Buk-M2”-Raketensysteme und 36 Einheiten unserer
Luftabwehrraketen-Systeme vom Typ “Panzir S1” erhalten hat; dazu stehen
Lieferungen von S-300-Systemen und Mi-25-Hubschraubern aus.
Ich rechne sehr mit dem Selbsterhaltungstrieb der russischen Führung und
damit, dass sie aus den tragischen Schicksalen Miloschewitschs, Saddam
Husseins und Gaddafis die richtigen Schlüsse gezogen haben. Diese haben
dem Westen einmal vertraut und das mit ihrem Leben bezahlt. Shakespeares
Hamlet sagt von Rosenkranz und Güldenstern: “die beiden, denen ich wie
Nattern traue”. Man darf Nattern nicht trauen - sie beißen, und zwar
tödlich, im banalen physischen Sinn dieses Worts. Oder sie versuchen zu
beißen und nutzen dafür innere Probleme; von denen hat Russland wahrlich
mehr als genug. Ist es denn Zufall, dass die Zusammenrottungen der
“Weißen Schleifen” Ende 2011 - Anfang 2012 auf interessante Weise mit
der Erklärung der russischen Führung zusammenfielen, hinsichtlich der
syrischen Sache eine harte Position zu verfolgen? Sicher nicht. Und hier
tritt das Problem der “Fünften Kolonne” mit aller Schärfe zutage, die
sich bei uns im Verlauf des letzten Vierteljahrhunderts herangebildet
hat. Wir leben in einem Zeitalter des Krieges, welches mit der
NATO-Aggression gegen Jugoslawien begonnen hat und der inzwischen mit
denselben NATO-Stiefeln gegen die Pforten Syriens tritt. In solchen
Zeiten muss man gemäß der Leitlinien von Kriegszeiten handeln. Noch nie
ist es jemandem gelungen, einen äußeren Feind zu besiegen oder ihm auch
nur zu widerstehen, ohne gleichzeitig oder vorher die “Fünfte Kolonne”
unter Kontrolle gebracht zu haben; selbstverständlich legal, nur legal.
Und schlussendlich bedarf es eines internationalen politischen und
militärischen Bündnisses, das in der Lage wäre, den Aggressor zu
bändigen und Sicherheit oder wenigstens eine Atempause von 8-10 Jahren
zu verschaffen. In dieser Zeit kann Russland es schaffen, sich
aufzuraffen und sich auf den Großen Krieg des 21. Jahrhunderts
vorzubereiten - auf die letzte Große Jagd der Epoche des Kapitalismus,
die leider höchstwahrscheinlich unvermeidbar ist. Sich darauf
vorbereiten und dabei bestehen.
Nun, und für den Moment gilt es, den potentiellen Gegner möglichst
fernab zu halten und die Schwachen darin zu unterstützen, diesen Gegner
in der Ferne zu schlagen - das ist nicht nur strategisch richtig,
sondern auch moralisch.
Lehren und Prognosen
- Was sind die Lehren aus Libyen und Syrien für Russland?
- Zuallererst: vertraue niemals, unter keinen Umständen der westlichen
Führung. Sie wird uns immer als Hauptfeind betrachten, und zum Zeitpunkt
unserer maximalen Schwäche, auf die sie selbst hinarbeitet,
unerbittlich zuschlagen und versuchen, die “russische Frage” zu klären.
Leonid Schebarschin
sagte einmal: “Der Westen will von Russland nur eines. Dass es Russland
nicht mehr gibt.” Wie man die Schwachen beseitigt, haben wir am
Beispiel Libyens erlebt. Wie man sich die Zähne an den stärkeren
ausbeißt, sehen wir am Beispiel Syriens.
Das zweite: die libysche und syrische Variante der NATO-Aggression
demonstrieren, wie sich die Ereignisse bei uns im Falle von
militärischen Handlungen entwickeln werden: Krieg wird durch Söldner
geführt, vor allem durch Araber, aber auch durch private Militärfirmen.
Nach syrischem Muster wird man versuchen, den Kaukasus und die
Wolgaregion zu destabilisieren: man besetzt eine Stadt oder einen Teil
davon, Massaker, Anrufung der “Weltöffentlichkeit”, welche auf
Sanktionen, Kontrolle, Stützpunkte drängen wird (einen solchen haben wir
bereits im Hinterland, nämlich die NATO-Nachschubbasis in Uljanowsk).
Das dritte: bei aller entscheidenden Rolle des äußeren Faktors spielt
bei der Situation in Syrien der Zustand des “Objekts”, auf das dieser
Faktor gerichtet ist, eine äußerst bedeutsame Rolle: ein ineffizientes
Regierungssystem, Korruption und so weiter, was alles in allem
Angriffsfläche bietet. In dieser Hinsicht ist Russland auch sehr
verwundbar: wir haben eine genauso ineffiziente Führung, Korruption,
eine kriminalisierte Wirtschaft, eine enge Verflechtung unserer
Wirtschaftsgrößen mit der Weltwirtschaft, folglich also auch eine
Schicht pro-westlicher Compradores, dabei ein niedriges professionelles
und moralisches Niveau der Oberschicht, das Vorherrschen von Interessen
einzelner Clans über den Interessen des Landes. Vom Zerfall der Armee,
der geistlichen und moralischen Krise ganz zu schweigen, ebenso von der
“Abnutzung” des Humanpotentials eines bedeutenden Teils der Bevölkerung.
Es ist sicher wahr, dass eine äußere Bedrohung die Bevölkerung
zusammenschweißen und mobilisieren kann, denn so ist es mit den Russen
bisher immer gewesen, ob 1612, 1812 oder 1941. Das weiß der Gegner aber
nur zu gut. In diesem Sinne ist der kürzliche
Artikel Henry Kissingers
zur Situation in Syrien sehr interessant: entgegen seiner sonstigen
Gewohnheit, alles klar auszudrücken, gibt es hier eine Menge an
nebulösen Erörterungen, einschließlich der Erwähnung des Heiligen
Römischen Reiches und wie man es letztlich zu Fall brachte. Doch wenn
man die reine Logik dieses Texts verfolgt und exakt das formuliert, was
einer der größten “Hintermänner” dieser Welt angedeutet hat, bekommt man
folgendes. Der “alte Henry” warnt den Westen davor, einen solchen Druck
auf Syrien auszuüben, der eine unnachgiebige Position Russlands zur
Folge hätte und es zur Konfrontation mit dem Westen treibt. Denn das
birgt die Gefahr, all das zu verlieren, was man sich in den letzten 20
Jahren an der Schwächung Russlands erarbeitet hat. Und diese Resultate
sind wichtiger als Syrien.
Kissinger, der alte Hund, geht der Sache absolut auf den Grund!
Tatsächlich kann eine Konfrontation mit dem Westen die Situation in
Russland grundlegend ändern, und zwar in allen sozialen Schichten, vor
allem aber in der Oberschicht, die nicht nur verstehen, sondern am
eigenen Leib spüren wird, dass die westliche Elite sie niemals in ihre
Kreise aufnehmen wird, sondern dass sie ganz im Gegenteil früher oder
später von ihr gefressen werden. Wenn das aber so ist, so ist ein
wesentlicher Kurswechsel nötig, wenigstens, um Reichtümer, Status und
Leben zu bewahren. Die Beispiele solcher doch pro-westlicher arabischer
Führer wie Ben Ali oder Mubarak demonstrieren doch den Wahrheitsgehalt
der These des herausragenden russischen Geopolitikers
Alexej Jedrichin-Wandam:
“Schlimmer als die Feindschaft mit den Angelsachsen kann nur eines
sein: die Freundschaft mit ihnen”. Der Westen, insbesondere die
Angelsachsen, garantieren niemandem etwas, noch viel weniger jemandem,
der sein Land und sein Volk verraten hat. Die Alten pflegten zu sagen:
“Roma traditoribus non premia” (Rom bezahlt keine Verräter). Genauer
gesagt bezahlt es sie schon, aber nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Danach geht man getrennter Wege. Auch das ist eine Lektion aus dem
Nahen Osten für Moskau.
- Wann kann man, Ihrer Ansicht nach, merkliche Änderungen der Situation erwarten?
- Ja, bin ich denn ein Prophet? Es ist schwierig, in der gegenwärtigen
Welt, die sich an einem Scheidepunkt befindet, irgendwelche Prognosen zu
machen. Wenn man allerdings vom Zustand der Wirtschaft der USA ausgeht,
deren Remission (im medizinischen Sinn) entsprechend einiger Prognosen
im Frühjahr 2013 vorbei sein wird, und wenn man weiterhin bedenkt, dass
vor den US-Präsidentschaftswahlen wahrscheinlich keine schwerwiegenderen
Aktionen zu erwarten sind, so kommt man auf einen Zeitraum ungefähr von
Dezember 2012 bis Februar 2013.
- Himmel, Sie nennen ja geradezu mystische Daten: das Ende der Welt nach dem Maya-Kalender, das Kommen des himmlischen Mörders Nibiru...
- Das ist keine Mystik, sondern Manipulation des öffentlichen
Bewusstseins, dessen Loslösen von den realen Problemen und das
Verschrecken bis hin zu einem Zustand, in dem der Mensch selbst ruft:
“Ich bin für eine Weltregierung, nur sie kann mich vor der Katastrophe
bewahren, vor dem gigantischen Asteroiden, vor Aliens, …!” Viel
gefährlicher als Aliens sind nämlich solche “Jungs”, die jenseits von
Gut und Böse leben und mit der Erbarmungslosigkeit von Reptilien die
Menschheit dahinraffen. Sie sind es, die gegen Syrien anstürmen, und
genau diese gilt es jetzt am “Grenzpunkt Syrien” aufzuhalten. Wie hieß
es doch bei Voltaire: “die Natter zermalmen”!