Montag, 16. Juli 2012

Zur Geschichte der Frauenbeschneidung



Frauenbeschneidung

Ursprünge/Historische Belege


Wenn man das Thema Frauenbeschneidung anspricht kommt es gewöhnlich zu gesichtsverzerrten, bisweilen empörten Ausdrücken, manchmal aber auch die erstaunte Frage: Was? Gibt es das auch bei Frauen? Und wie bitte soll das gehen?
Man muss feststellen, dass die Beschneidung beim Mann gesellschaftlich akzeptiert ist und im Allgemeinen auch als eine religiöse oder medizinische Notwendigkeit gesehen wird. Da sie auch öfters, ganz profan als ein Prädikat für „besseren Sex“1 gilt, ist die Legitimation nicht sonderlich umstritten.
Durch das neu Urteil ist die ganze Sache nun in einem neuen Diskurs und wird nun sehr heiss gekocht.
Ganz anders die Beschneidung der Frau. Woran liegt das? In welchem Zusammenhang kann man die Beschneidung der Frau betrachten? Muss man von keinem religiösen, sondern einem kulturellen, sozio-ethnischen Hintergrund ausgehen? 
Um diesen Fragen nachgehen zu können, ist es notwendig sich zunächst einmal mit dem historischen Kontext zu befassen und zu klären, wann, wo und in welchen Zusammenhang die Ursprünge der Frauenbeschneidung zu finden sind. Dieser Thematik gilt dieses Essay, in dem versucht wird zu ermitteln inwieweit beispielsweise der Islam, wie oft behauptet und lange tradiert Legitimation für eine Beschneidung der Frau bedeutet.

Ägypten

Die frühesten Zeugnisse2 der Beschneidung findet man in Ägypten. Die Beschneidung tritt erstmals nachweislich um 2420 v. Chr. auf einem ägyptischen Relief auf. Die Abbildung zeigt die Durchführung der Beschneidung an einem jungen Mann. Hierbei ist an der ersten Figur klar ersichtlich, dass es sich um einen Mann handelt, der beschnitten wird. Bei der zweiten Person wird das Geschlecht von den Händen der Beschneider(in) verdeckt. Es ist jedoch davon auszugehen, das es sich auch hier um eine männliche Person handelt und nicht wie manchmal zu lesen ist um eine Frau.

Prof. Dr. Erika Feucht hat einen Artikel geschrieben3 Ich gebe hier nur das Fazit wieder: "Mit Sicherheit können wir sagen, daß es in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Ägypten Sitte war, auch Mädchen zu beschneiden. Ob dieser Brauch auf ältere Zeit zurückgeht, ist wegen der unklaren Bedeutung des Wortes ama(t) nicht zu klären. Die Ägypter, sowohl Kopten wie Muslime, haben diesen heidnischen Brauch beibehalten. In Arabien ist er in heidnischer Zeit bekannt, wurde aber von Mohammed weder empfohlen noch verboten. Ob er sich von Ägypten in die Nachbarländer ausgebreitet hat, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Sowohl Christen wie Muslime haben ihn als Übernahme aus dem Judentum zu erklären versucht. Allerdins ist auch dies nicht sicher".
Wenn Erika Feucht schreibt, daß es "Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Ägypten Sitte war, auch Mädchen zu beschneiden", bezieht sie sich auf einen Papyrus in griechischer Sprache aus dem Jahre 163 v. Chr.
In diesem will die Mutter die im Tempel hinterlegte Mitgift ihrer Tochter einholen, da diese das Alter erreicht hat, "in dem es bei den Ägyptern Sitte ist, zu beschneiden" (d. h. sie ist heiratsfähig).
Man muss allerdings hierzu sagen, dass die Interpretation des griechischen Textes nicht eindeutig ist und dass nur von einer Beschneidung die Rede ist, nicht explizit von einer weiblichen.

Diese geschlechtsspezifischen rituellen Initiationen in das Erwachsenendasein wurden bei Männern und Frauen durchgeführt. Doch sind weder schriftliche noch eindeutig bildliche Darstellungen von weiblichen Beschneidungen zu finden. Auch an weiblichen Mumien sind keinerlei Beschneidungen ersichtlich.
Man leitet die Erklärung der beschneidungen auch oft aus der Mythologie her.
In der ägyptischen Mythologie wird von einem bisexuellen Wesen der Gottheiten ausgegangen. ( Der gleiche Anteil von männlichen und weiblichen Aspekten in einem Menschen( Dualseele) manifestiert sich dabei in der Vorhaut des Mannes ( weibliche Manifestation der männlichen Seele) und der Klitoris( männliche Manifestation der weiblichen Seele)

Eine Analogie der mythologisch ägyptischen Annahme findet man in der Entwicklungsbiologie des menschlichen Embryos. Hier erkennt man deutlich, dass die Geschlechtsanlagen beider Geschlechter in der neunten Entwicklungswoche noch identisch sind. Der Geschlechtshöcker entwickelt sich beim männlichen Embryo zum Penis und zur Eichel, beim weiblichen zur Klitoris (siehe Abb1) sie sind noch nicht äusserlich zu unterscheiden . Erst in der 11. Woche ist eine Unterscheidung der Geschlechtsmerkmale zu erkennen, wobei die Eichel dann entwicklungsbiologisch der Klitoris entspricht.
Abb1

Um nun den Mann oder die Frau jeweils in das Erwachsenenstadium aufzunehmen und somit als vollwertigen Mann oder Frau Teil der ägyptischen Gesellschaft werden zu lassen wird die jeweils andere Geschlechtsmanifestation „abgeschnitten“. Ausgehend von der Annahme es sollten die geschlechtspezifischen Merkmale der Dualseele entfernt werden, wäre es nun aber medizinisch korrekt, wenn beim Mann die Vorhaut (Präputium) entfernt wird und dass entsprechend bei der Frau ebenfalls die Vorhaut( Präputium) entfernt wird und nicht die gesamte Klitoris, oder aber die gesamte Klitoris der Frau und die Eichel (oder der gesamte Penis) des Mannes.
Die Beschneidung der Frau wäre in der altägyptischen Tradition, falls man davon reden könnte, also nicht nur ein religös-gesellschaftlich bedingter Eingriff, sondern eine initiationale, geschlechtsfindende, zu einem gewissen Grad sogar –bildende Massnahme und hat in diesem Aspekt keine Unterscheidung zur männlichen Beschneidung.
Griechen

In der griechischen Mythologie finden wir wie in der ägyptischen, den Hermaphroditos eine zweigeschlechtliche Gottheit, die ihre Entsprechung in der Medizin in der Form des Hermaphroditismus(Zwitter) findet.
Der griech. Historiker Herodot erklärt, die Ägypter hätten die Beschneidung „der Reinlichkeit wegen“ praktiziert, da sie „lieber reinlich sein als gut aussehen“ wollten, und es ist gut möglich, dass der Brauch ursprünglich aus rein hygienischen Gründen eingeführt wurde. Dennoch lassen Darstellungen Unbeschnittener in der Dekoration von Mastaba-Gräbern des Alten Reiches vermuten, dass der Eingriff nicht allgemein üblich war.
Strabo berichtet, die Ägypter hätten die Beschneidung von Mädchen praktiziert. Man muss allerdings wissen, das die griechischen Quellen alle samt Sekundärquellen sind. Oft waren ihre Aussagen auch von politischer oder ideologischer Färbung und es ist recht gewagt daraus Schlüsse auf den Ursprung der Frauenbeschneidung zu ziehen.

Die Beschneidung der Frau in England und Amerika

In England war ein Dr. Brown der heisse Verfechter der Beschneidung de Frau und hat dies bis zum Excess praktiziert.
Im England des 17 und 18. Jahrhundert galt die Sexualität der Frau als die verführerische Sünde, die den armen Mann zu Schandtaten verführt, so wie es schon im Paradies der Fall war.
Es war daher ein geselschaftliches MUSS seiner Gattin die Lust am Verführen anderer Männer zu nehmen, was mit äußerster Brutalität dann oftmals mit Rasierklingen durchgeführt wurde.
Der Vorreiter dieser Praktiken in den USA waren die Gebrüder Kellogg, ja genau diejenigen deren Cerealien wir jeden morgen auf dem Frühstückstisch stehen haben. Das Cornflakes war eine Erfindung von Herrn Kellogg, um die Libido des Mannes zu unterdrücken.
War das schon ein Teil des Eugenic Programms?
Die Sexualität in den USA ist heutzutage imer noch eine völlig andere, als sie in Europa gelebt wird.

Die Beschneidung der Frau im Islam
Der Koran erwähnt weder die männliche noch die weibliche Beschneidung.
Es wird lediglich im Zusammenhang mit einer religiösen Legitimisierung der
Weiblichen Beschneidung auf einen Hadith verwiesen, der allerdings in keiner Authentischen Hadithquelle der islamischen Rechtsschulen zu finden ist.Sie ist daher äusserst fragwürdig, wird aber dennoch gerne von Beführwortern der FGM herangezogen.
Im Wortlaut besagt der Hadith folgendes: Mohammed fragte die Beschneiderin, ob sie immer noch ihren Beruf ausübe. Sie bejahte und fügte hinzu: „unter der Bedingung, dass es nicht verboten ist und du mir nicht befiehlst, damit aufzuhören“. Mohammed erwiderte ihr:„Aber ja, es ist erlaubt. Komm näher, damit ich dich unterweisen kann: Wenn du schneidest, übertreibe nicht (la tanhaki), denn es macht das Gesicht strahlender (ashraq) und es ist angenehmer (ahza) für den Ehemann“. Nach anderen Überlieferungen sagte Mohammed: „Schneide leicht und übertreibe nicht (ashimmi wa-la tanhaki), denn das ist angenehmer (ahza) für die Frau und besser (ahab, nach Quellen abha) für den Mann“. (Andere Übersetzung: „Nimm ein wenig weg, aber zerstöre es nicht. Das ist besser für die Frau und wird vom Mann bevorzugt.“ „Die Beschneidung ist eine Sunnah für die Männer und Makrumah für die Frauen.
Der zitierte Hadith gilt aber als daif, also als schwach. Dies bedeutet, der Hadith ist inhaltlich und bezüglich des Isnad unzulänglich: er hat demzufolge einen unvollständigen Isnad (Zeugenkette), einen Sammelisnad, der die Rücküberprüfung, ob es wahrscheinlich ist, das der Prophet dies aussagte, nicht zulässt.
Gegner der Beschneidung argumentieren mit Koranversen, welche hervorheben, dass der Mensch von Gott in seiner optimalen Form geschaffen wurde:„für diejenigen, die Gottes betend im Stehen, im Sitzen und auf der Seite liegend gedenken und über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken und sagen: "Unser Herr, Du hast all das nicht umsonst geschaffen. Gepriesen seist Du! Behüte uns vor der Strafe des Feuers!" “
– Koran 3:191
„(Gott) Der alles gut gemacht hat, was Er erschuf. Und Er begann die Schöpfung des Menschen aus Ton.“
– Koran 32:7

„Ich (Satan) werde sie (die Diener Gottes) verführen und falsche Wunschvorstellungen in ihnen erwecken, und ich werde ihnen befehlen, manchem Herdentier die Ohren einzuschlitzen und die Schöpfung Gottes zu verunstalten. Wer den Satan anstatt Gott zum Beschützer nimmt, der hat gewiss verloren.“
– Koran 4:119
Von den vier sunnitischen Rechtschulen (Madhhab) befürworten zwei die Genitalbeschneidung an Frauen (Malikiten und Hanbaliten); die Schafiiten halten sie sogar für eine religiöse Pflicht. In Ländern mit schafiitischer Rechtsschule ist sie deshalb auch allgemein verbreitet. Die Hanafiten lehnen die Beschneidung von Frauen ab.
Am 23. November 2006, während einer internationalen Islam-Gelehrten-Konferenz der al-Azhar-Universität Kairo, wurde erörtert, inwieweit die Beschneidung weiblicher Genitalien mit der Lehre des Islams zu vereinbaren sei. Ein einheitliches Resume konnte aber nicht festgestellt werden.
Bereits im Jahre 2005 hatten islamische Gelehrte in Somalia – wo die Infibulation nahezu flächendeckend praktiziert wird – eine Fatwa veröffentlicht, die sich gegen die Beschneidung an Mädchen richtet.

Um die Frauenbeschneidung historisch belegen und damit auch zu legitimieren genügen die gefundenen Quellen nicht.
Es sind oft nicht nachvollziehbare aus dem mythologischen Bereich kommende Herleitungen.
Nichtsdestotrotz wird die Beschneidung der Frauen in weiten Teilen Afrikas und andernorts durchgeführt und auf kulturelle und teils auch religiöse Praktiken zurückgeführt.
Dem wird auch nicht so ohne weiteres ein Riegel vorzuschieben sein. Eine Kultur-gerechte, einfühlsame Aufklärung kann hier einen Beitrag leisten den lange gewachsenen Ritus in dem Verständnis der Befürworter zu ändern.


Quellen:
Terre Des Femmes: Schnitt in die Seele
David Gollaher: Das verletzte Geschlecht

Internetrecherche:









1 Wissenschaftlich kann man von keinerlei Wertigkeit sprechen, da dies hier wohl eine subjektive Sichtweise, für die Meinungsbildung jedoch nicht zu vernachlässigende ist.

2 Das große Lexikon der Ägyptologie erwähnt unter dem Thema Beschneidung die erstmalige Abbildung derselben in dem Grabe des Ankhmahor in Saqqara, 6. Dynastie
3 Tempel der gesamten Welt (Festschrift für Jan Assmann).